Für unsere Experimentalraketen der Arguna-Serie werden Feststoffmotoren mit Treibstoffen vom Typ SUCA (für “Super-Candy” ) und auch Epoxidtreibstoffen verwendet. Bei SUCA handelt es sich um eine inzwischen patentierte Eigenentwicklung eines unserer Mitglieder.

Komposite

Inhalt

Bei der Entwicklung der Festtreibstoffe für die Arguna-Forschungsraketen wurden den Aspekten Herstellungs- und Handhabungssicherheit sowie Umweltfreundlichkeit der Vorrang vor Höchstleistung eingeräumt. Daher werden weder Perchlorate noch Ammoniumnitrat als Treibstoffbestandteile verwendet, wie dies bei industriell gefertigten Treibstoffen (sog. Komposite) z.T. der Fall ist.

Die in der Raumfahrt und der Raketentechnik heute überwiegend eingesetzten Komposittreibstoffe auf Basis von Ammoniumperchlorat, Ammoniumnitrat, Kaliumperchlorat oder Nitraminen haben inzwischen auch teilweise im Bereich der Modell-bzw. Experimentalraketen Einzug gehalten. Die genannten Treibstoffklassen haben jedoch trotz hoher Leistung zum Teil erhebliche Nachteile:

  • Perchlorate geben den im Molekül gebundenen Sauerstoff sehr leicht ab, wodurch deren Mischungen mit brennbaren Stoffen häufig ein hohes Explosionsrisiko bei Schlag, Reibung, Erhitzung, usw., aufweisen.
  • Ammoniumperchlorat ist schon für sich alleine betrachtet, auch ohne Zumischung, ein brisanter Sprengstoff. Das heiflt, die Herstellung, Aufbewahrung und Verwendung dieser Treibstoffklasse ist mit teilweise erheblichem Sicherheitsaufwand verbunden.
  • Durch den Chlorgehalt der Perchlorate können beim Abbrand umweltschädliche Chlor- und Chlorwasserstoffgase oder, bei ungünstiger Verbrennung, sogar giftige Dioxine freigesetzt werden.
  • Da die Perchlorate elektrolytisch hergestellt werden, ist zu ihrer Gewinnung ein hoher Aufwand an elektrischer Energie nötig, was die Produkte entsprechend verteuert.
  • Ammoniumnitrat ist zwar ein relativ preiswerter Oxidator, doch ist er, ebenso wie die teureren Nitramine, bei entsprechender Zündung, auch schon ohne Zumischung, ein brisanter Sprengstoff.
  • Ammoniumnitrat mufl zudem vor dem Einsatz als Raketentreibstoff-Komponente mit entsprechendem Aufwand phasenstabilisiert werden um überhaupt lagerstabile Treibstoffe zu ermöglichen.
  • Ammoniumnitrat ist aussergewöhnlich hygroskopisch, was bei der Herstellung und Lagerung der Treibstoffe ebenfalls berücksichtigt werden muss.

Candy Treibstoffe

Im Bereich der Amateur- und Experimentalraketen haben sich in den letzten Jahren sogenannte Zucker-Treibstoffe (Candy Propellants) etabliert, die aus Kaliumnitrat und Zucker oder Zucker-ähnlichen Stoffen sowie einigen Hilfsstoffen zur Regulierung des Abbrandverhaltens bestehen. Diese sind preiswert und mit geringem Aufwand herstellbar, ohne dabei die Nachteile der oben genannten Perchlorat- und Ammoniumnitrat-Treibstoffe aufzuweisen.

Ein gravierender Nachteil dieser Zucker-Treibstoffe ist allerdings ihre bescheidene Leistungsfähigkeit. Sie sind zwar dem Schwarzpulver um ca. 50% überlegen, zeigen aber nur etwas mehr als die Hälfte der Leistung von Ammoniumperchlorat-Kompositen.

Unserer Forschung gelang es aber, das Leistungsniveau dieser Zuckertreibstoffe deutlich anzuheben, ohne die o.g. günstigen Eigenschaften zu beeinträchtigen. Damit wurde ein erheblich verbesserter Treibstoff für Modell- und Experimentalraketen geschaffen (SUCA), der leistungsmäßig dem Bereich der Hochleistungstreibstoffe nahekommt ohne aber deren nachteilige Eigenschaften aufzuweisen.

Die hierfür verwendeten Oxidatoren sind Alkalinitrate, wie z.B.Natrium-, Kalium- und Lithiumnitrat. Als geichzeitiges Brennstoff- und Bindermaterial dienen mehrwertige Alkohole, wie z.B. Sorbit oder Erythrit, oder Zuckerstoffe, wie z.B. Saccharose, Glucose und Fructose.

Mehr Leistung durch Aluminium

Unser Entwicklungsziel war die Steigerung der Leistung. Aus der Technik ist bekannt, daß sich der spezifische Impuls eines Treibstoffs für Großraketen durch Zugabe von Aluminiumpulver steigern lässt.

Der Zumischung von Aluminiumpulver zu den in Experimental- und Modellraketen verwendeten Zuckertreibstoffen mit Kaliumnitrat standen jedoch erhebliche, aus der Literatur bekannte, Sicherheitsbedenken entgegen, wie z.B. die Gefahr der Selbstentzündung.

Generell werden Gemischen von Aluminiumpulver und Alkalinitraten ein erhebliches Gefahrenpotential zugeschrieben, vor allem beim Erhitzen (ähnliche Gemische werden in der Feuerwerkerei als Böllermischungen verwendet). Dies hat vermutlich bewirkt, dass entsprechende Entwicklungen bei den Zuckertreibstoffen unterblieben oder in einem frühen Stadium eingestellt wurden. Es wurde nun jedoch durch umfangreiche Versuche nachgewiesen, dafl diese Risiken durch eine geeignete Vorgehensweise ausgeschaltet werden können und stabile aluminiumpulverhaltige Treibstoffe dieser Art hergestellt werden können. Überraschenderweise zeigen solche neuen Zusammensetzungen zum Teil weit über die Erwartung hinausgehende Leistungssteigerungen, so daß ca. 90% der Leistung von Ammoniumnitrat-Kompositen und ca. 80% üblicher Ammoniumperchlorat-Komposite erreicht wird.

Ein zusätzlicher positiver Effekt der Aluminiumpulver-Zumischung ergibt sich durch die Erhöhung der Treibstoff-Dichte, wodurch der sogenannte volumenspezifische Impuls verbessert wird. Das heisst, bei gleichem Platzbedarf erhöht sich der Energieinhalt der Treibstoff-Befüllung eines Raketenmotors.

Die theoretische Leistung von Raketentreibstoffen kann berechnet werden, doch liegen die errechneten Daten (aus verschiedenen Gründen) meist weit oberhalb der in der Praxis erzielbaren Werte, vor allem wenn Komplikationen, wie z.B. Mehrphasenströmung, vorkommen. Häufig sind auch berechnete Zusammensetzungen praktisch nicht realisierbar. Sie sind dann z.B. nicht zündfähig oder bilden verstopfende Abbrandrückstände.

Besonders praxisnahe Ergebnisse zu Leistung und Eignung von Raketentreibstoffen werden durch Schubmessungen von Raketenmotoren erzielt, die mit den zu prüfenden Treibstoffen befüllt sind. Der hierbei ermittelte spezifische Impuls kann dann direkt mit den Werten anderer Treibstoffe verglichen werden. Die spezifischen Impulse der Candy-Treibstoffe sind aus der Fachliteratur bekannt, unter optimalen Bedingungen werden spezifische Impulse von 134-137s gemessen.

Mit unseren oben beschriebenen Verbesserungen lassen sich dagegen spezifische Impulse von 180s erreichen, was gegen¸ber dem bisherigen Stand der Candy-Treibstoffe einer Steigerung von 28% entspricht. Es werden ca. 90% der Leistung von Ammoniumnitratkompositen und 80% der von Ammoniumperchloratkompositen erreicht. Eine so hohe Steigerung ist ganz ungewöhnlich und war in keiner Weise zu erwarten, da die aus der technischen Literatur bekannten Leistungssteigerungen durch Aluminium-Zumischung (z.B. bei Ammoniumperchlorat-Kompositen) nur bei 10% -15% liegen. Aufgrund von kondensiertem Material im Abgasstrahl betragen sie aber praktisch nur 10-15s.

Eigenschaften

Die Candy-Treibstoffe besitzen eine Reihe positiver Qualitäten:

  • Sie sind preiswert und mit geringem Aufwand herstellbar.
  • Sowohl die unverbrannten Treibstoffe als auch die Abbrandprodukte sind ungiftig, sie könnten als Dünger verwendet werden. Die Haupteinsatzstoffe werden sogar in der Lebensmittelindustrie eingesetzt. Durch diese Eigenschaft wird die Herstellung und Entsorgung des Treibstoffs sehr unproplematisch.
  • Beim Abbrand im Raketenmotor verhalten sich die Candy-Treibstoffe gutmütig und in einem weiten Bereich drucktolerant, da sie einen niedrigen Druckexponenten aufweisen. Ohne Druckbehälter ist der Treibstoff schwer entzündlich, besitzt ein langsames Abbrandverhalten und weist im Vergleich zu üblichen Brennstoffen einen niedrigen Energieinhalt auf. Beim Abbrand unter Druck reagiert die Regression passiv auf Druckerhöhung wodurch der Treibstoff keine Tendenz zur Detonation besitzt.
  • Ein Nachteil der herkömmlichen Candy-Treibstoffe ist ihre vergleichsweise bescheidene Leistungsfähigkeit. Sie sind zwar dem Schwarzpulver um 50% überlegen, zeigen aber nur etwa 60% der Leistung von Ammoniumperchlorat-Kompositen. Wir haben daher an der Verbesserung der Candy-Treibstoffe gearbeitet (s.o.) und überraschende Erfolge erzielt: Mit unseren verbesserten Candytreibstoffen können wir spezifische Impulse bis zu (real gemessenen!) 180s erreichen, was etwa 80% der Leistung von Ammoniumperchlorat-Kompositen und 90% der von Ammoniumnitrat- Treibstoffen entspricht. Dies ist für Forschungsraketen vollkommen ausreichend.
  • Auf Grund der gut verfügbaren und preiswerten Einsatzstoffe liegen die Materialkosten derzeit bei ca. 3,5-4 Euro/kg Treibstoff, wodurch sich ein sehr günstiges Preis-/Leistungsverhältnis ergibt.

Wegen dieser vorteilhaften Eigenschaftskombination wurde dieser Treibstoff auch zum Patent angemeldet.

Geprüfte Sicherheit

Von einem unabhängigen Prüflabor wurde der SUCA-Treibstoff Standard-Sicherheitstests nach BAM (Fallhammer, Reibestift), sowie Thermogravimetrie (TGA) und Differentialthermoanalyse (DSC) unterzogen, wobei eine aussergewöhnliche Unempfindlichkeit gegenüber Reibung, Schlag und plötzliches Erhitzen festgestellt wurde.

Bei sachgerechten Bedingungen, also Ausschluss von Luftfeuchtigkeit und moderaten Temperaturen, sind Treibstoffblöcke jahrelang betriebsbereit lagerfähig.

Epoxy

In den Experimentalmotoren der Arguna-Raketen werden derzeit zwei Typen von Festtreibstoffen eingesetzt, zum einen die o.g. Candy-Treibstoffe (mit und ohne Aluminiumzusatz), zum anderen Epoxy-Treibstoffe. Erstere unterteilen sich nach Korngröße und Gehalt des zugesetzten Aluminiums in eine Variante mit niedrigem Impuls (z.B. Arguna 1) und eine mit hohem Impuls (SUCA, in Arg. 2 u.3). Die Abbrandgeschwindigkeit beider Varianten beträgt unter Betriebsdruck ca. 10mm/s. Dies ist vergleichbar mit AP-Treibstoffen.

In den Epoxy-Treibstoffen wird als Brennstoff und Binder anstelle der Zucker/Zuckeralkohole Epoxyharz verwendet (bei gleichbleibenden Oxidatoren). Die so erhaltenen Treibstoffblöcke sind mechanisch sehr stabil, sie lassen sich sägen und bohren. Interessant ist die deutlich niedrigere Abbrandgeschwindigkeit unter Betriebsdruck von 3-4mm/s.

Die mit den Epoxytreibstoffen praktisch erzielten spezifischen Impulse liegen deutlich niedriger als bei SUCA, aber höher als bei herkömmlichen Candy-Treibstoffen. Mit dem Ñlangenì M-Motor der Arguna 2 wurden mit einem Aluminium-freien Epoxy-Treibstoff in zwei Standschubmessversuchen 10200 Ns (Isp 144s), bzw.10050 Ns (Isp 146s) gemessen.

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