Allgemeines Funktionsprinzip
Inhalt
In der Raketentechnik bezeichnen Hybridtriebwerke (kurz Hybride) thermochemische Antriebe, bei denen die beiden Komponenten des Treibstoffs, nämlich der Brennstoff und der Oxidator, voneinander getrennt sind und dabei die eine Komponente in fester und die andere in flüssiger Form vorliegt.
In den meisten Fällen ist der Brennstoff fest und der Oxidator flüssig. Theoretisch könnte dies auch umgekehrt sein, doch gibt es kaum bei Raumtemperatur feste Oxidatoren, die in der Praxis verwendbar sind.
Die Hybridantriebe sind zwar komplexer aufgebaut als Feststoffantriebe, jedoch immer noch wesentlich einfacher und unproblematischer als Flüssigantriebe. Dadurch kommen sie auch für den Modellbau- und Amateurbereich in Frage. Hier öffnen sich für die Forschung neue Welten, denn es gibt etliche Kombinationen von Treibstoff zu Oxidationsmittel, Düsenform, Form des Grains und vieles mehr. Auch braucht man für Hybride nicht zwingend eine Erlaubnis nach §27 des Sprengstoffgesetzes (sog. “T2-Schein”), da sich in dem Motor keine pyrotechnischen Stoffe befinden. Lediglich für die Zündung käme dies in Betracht, jedoch kann dies durch ein entsprechendes Bodenequipment (z.B. Sauerstofflanze) ebenfalls vermieden werden. Darüber hinaus kommt noch ein Preisvorteil hinzu, insbesondere bei mehrfacher Verwendung des Motors, da die Hybridtreibstoffe nur etwa die Hälfte bis ein Drittel vergleichbarer Feststofftreibstoffe kosten.
<Abb. 1>
Ein Hybridtriebwerk besteht normalerweise aus
- Gehäuse (engl. casing)
- Einspritzdüse (engl. injector)
- Treibstoffblock (engl. grain)
- Düse (engl. nozzle)
- Verschlüsse und Dichtungen (O-Ringe) für die Enden des Gehäuses. Dies sind übrigens oft die kritischsten Komponenten.
Dabei sitzt am unteren Ende eine Verschlusskappe (9), die die Düse (10) und das Innenleben im Gehäuse hält. Dann folgt die Düse selber, und darauf das Grain (6). In dessen Mitte verläuft ein Längskanal (7), in dem bei Betrieb die Verbrennung stattfindet.
Am oberen Ende kommt der Injector (5) mit dem oberen Verschluss der Brennkammer (nicht in der Abb.). Der Oxidatortank (1) enthält das flüssige Oxidationsmittel, das während des Betriebs über eine Zuleitung (2) und einem Ventil (3) in die Brennkammer gedrückt wird. Eine Regelelektronik (4) steuert ggf. das Ventil. Der ganze Motor wird schließlich noch durch einen Endverschluss zusammengehalten (nicht in der Abb. 1).
Komponenten
Gehäuse
Das Gehäuse ist das zentrale Bauteil eines Hybriden, welches alle anderen Einzelteile zusammenhält. Es kann auch gleichzeitig als Tank und Brennkammer dienen. Die meisten Geäuse sind aus aus dem leichten und zugleich stabilen Aluminium gefertigt. In der Brennkammer kann beim Betrieb nämlich ein Druck von bis zu 80 Bar herrschen.
Damit niemand verletzt wird, falls ein Gehäuse einmal platzt, wird eine Legierung gewählt die nicht splittert sondern eher “aufreißt”, was eine hinreichende Sicherheit garantiert. Allerdings werden diese Treibwerke von den Hertellern sorgfältig durchgerechnet und getestet, so dafl solche Unfälle sehr selten sind.
Bei Hybriden, die nicht in Modellen verwendet werden (z.B. zur Messung im Standschub), dreht man das Gehäuse meistens aus Stahl oder ähnlichen Materialien, da dies billiger ist und nicht so auf die Wandstärke geachtet werden muß, wenn das Gewicht keine Rolle spielt.
Einspritzdüse
Der Injektor ist die Einspritzdüse für den Oxidator. Seine Öffnungen müssen auf den hundertstel Millimeter genau gebohrt sein, da sonst zu viel oder zu wenig Oxidator eingespritzt wird.
Mittels der Größe der Öffnungen der Einspritzdüsen kann der Schub sehr gut kontrolliert werden. Dies geschieht dagegen in den seltensten Fällen über den Treibstoff. Der Injektor muß die für das jeweilige Oxidationsmittel passende Geometrie aufweisen, da manche Oxidatoren sehr fein zu zerstäuben sind.
Grain
Das Grain ist der Brennstoff in einem Hybridtriebwerk. Es handelt sich dabei um einen rohrförmigen Festkörper. Mit dem Grain kann man am meisten experimentieren. Bei den Hybridmotoren für den Modellbau bieten sich Kunststoffe als Treibstoff an, es sind aber auch Papiergrains in Gebrauch. Theoretisch ist alles Brennbare verwendbar. Es wurden schon Hybride mit Salami oder Käse geflogen! Je nach verwendetem Brennstoff stoff kann der Schub stark variieren. Einige bereits in der Praxis verwendete Brennstoffe:
- Hydroxyl-Terminiertes Poly-Butadien (HTPB)/Gummi, im Hybridantrieb des
- SpaceShipOne verwendet
- Asphalt
- Polyethylen (PE)
- Polyurethan (PU)
- Polymethylmethacrylat (PMMA)
- Kohlenwasserstoffe (z.B. Paraffin)
Zudem ist es möglich, den Treibstoffblöcken bei der Herstellung Additive hinzuzufügen, die die Eigenschaften des Abbrandes verändern, beispielsweise:
- Eisen: Sprühender Funkenregen ähnlich einer Wunderkerze
- Magnesium: sehr heller, weifler, kurzer, gebündelter, Abgasstrahl
- Zucker = Langer gebündelter Abgasstrahl
- Aluminium: Lautes helles Pfeifen, heller, ausgeprägter Abgasstrahl, optisch auffällige Flamme, weifler Rauch.
- Titan: Kerzenförmig ausgeprägter Abgasstrahl, der leicht rötlich erscheint, viele umherfliegende Funken
Das sind allerdings noch lange nicht alle Treibstoffzusätze, die möglichen Variationen sind nahezu unbegrenzt.
Die Form des Grains hat ebenfalls Auswirkungen auf die Schubkurve. Ein Standardgrain hat eine im Querschnitt kreisrunde Bohrung. Ist sie jedoch sternförmig, so vergrößert sich die Oberfläche um ein Vielfaches und somit steigt auch der Schub, da viel mehr Material pro Zeiteinheit verbrennt. Auch andere Bohrungen sind möglich, so etwa Schlitze oder Kerben.
<Abb. 2>
Abb. 2: Graingeometrien, jeweils links im Querschnitt und rechts im Längsschnitt. C-Schlitz und D-Form sind Sonderformen, die nur selten verwendet werden. Die Geometrien kommen übrigens bei Feststoffmotoren genauso zum Einsatz, allerdings gibt es dort noch sog. Stirnbrenner, die einen kompakten Block ohne Bohrung bilden. Beim Hybridmotor ist das normalerweise nicht möglich, da der Oxidator durch den Brennstoffblock hindurchströmt.
Oxidator
Jede Verbrennung braucht ein Oxidationsmittel. Doch da das Grain im Triebwerk recht schnell verbrennen soll, reicht z.B. der Luftsauerstoff nicht aus. Die meisten Hybridtriebwerke im Modellbaubereich fliegen mit Distickstoffmonoxid (N2O), auch bekannt unter dem Namen Lachgas. Es enthält nur 36% Sauerstoff. N2O spaltet sich ab ca. 600°C in Sauerstoff und Stickstoff. Letzerer nimmt nicht an der Verbrennung teil und wird nur durch die Düse nach auflen befördert, dagegen verbrennt der Sauerstoff das Brennstoffgrain. Um das N2O in der Rakete möglichst kompakt zu lagern, liegt es im Tank bei ca. 80 Bar in flüssiger Form vor.
Alternativ wird oftmals auch flüssiger Sauerstoff (LOX) eingesetzt. Der fast 100%ige Sauerstofffanteil bietet zwar den Vorteil, dafl er vollständig zur Verbrennug verwendet wird, jedoch kann Sauerstoff bei Raumtemperatur nicht durch Druck alleine verflüssigt werden, während der tiefkalte LOX nur begrenzt lagerfähig ist. Theoretisch kann zudem jeder andere brandfördernde Stoff benutzt werden. So gab es auch schon Versuche mit:
- Salpetersäure
- gasformiger Sauerstoff (GOX)
- Ozon (O3)
- Wasserstoffperoxid H2O2
- RFA
- Stickstofftetroxid (N2O4)
- flüssiges Fluor (LF2)
- Mischung aus 30ñ40% Fluor und 60ñ70% Sauerstoff (FLOX)
Düse
Die Düse in einem Hybridtriebwerk mufl sehr viel Hitze aushalten und darf dabei nicht oxidieren. Daher wird Sie oft aus Graphit gefertigt. Graphit hat allerdings einen sehr groflen Nachteil, es ist ziemlich spröde. Daher muß beim Arbeiten mit einem Hybrid sehr darauf geachtet werden, dafl die Düse nicht beschädigt wird.
Dazu ist Graphit, insbesondere solcher hinreichender Qualität, nicht so leicht erhältlich, und auch teurer, als etwa Stahl oder Aluminium. Zudem ist die Düse ein hochpräzises Werkstück, daß exakt die richtigen Winkel in den Senkungen haben muß! Je nach Form bringt sie dadurch mehr oder weniger Schub. Ist z.B. der Durchmesser der Düse zu klein, würde der Innendruck in der Brennkammer zu groß und der Motor erlöschen oder schlimmstenfalls platzen. Verschiedene Düsenformen finden Sie in Abb. 3.
<Abb. 3>
Abb. 3: Stark schematisierte Darstellung verschiedener Düsenformen im Längsschnitt. Am häufigsten wird die Glockenform verwendet, z.T. auch noch die Kegelform (v.a. bei leistungsschwachen Treibsätzen im Modellbereich), da diese einfacher herzustellen sind. Die anderen Formen kommen selten zum Einsatz.
Funktionsweise und Abbrandverhalten
Die einzelnen Komponenten müssen aufeinander abgestimmt sein, so braucht etwa eine bestimmte Düse auch den passenden Injector.
Nach dem Zusammenbau wird geprüft, ob jeder Verschluss und Seegering richtig sitzt. Danach kann der der Oxidatortank entlüftet und befüllt werden. Das Entlüften ist wichtig, da sonst nur ein sehr kleiner Teil an flüssigem Oxidator in den Tank paßt. Ist der Tank befüllt, ist der Motor startklar. Durch ein sog. preheater Grain unterhalb des Injectors kann er pyrotechnisch gezündet werden. Der Preheater besteht meist aus Schwarzpulver oder Composittreibstoff und sorgt dafür, daß der Schlauch, der zum befüllen des Oxidators dient, durchbrennt, gleichzeitig heizt er das Grain auch vor (engl. to preheate = vorheizen). Zudem mufl auch der Oxidator vorgeheizt werden, damit er sich zersetzt und die Verbrennung fördern kann. Da das Grain am oberen Ende gezündet wird, verbrennen es dort zuerst.
<Abb. 4>
Abb. 4: Schematische Darstellung der Schichten (Längsschnitt) auf der Oberfläche des Brennstoffs während der Motor arbeitet. Das Oxidationsmittel stömt hier den Brennstoff von links an.
Dabei entstehen im Grain mehrere Schichten. Am äußersten Rand ist der Treibstoff noch fest in seiner ursprünglichen Form. Ein bißchen weiter innen fängt er an zu verdampfen. Die nächste Schicht ist die, die gerade verbrennt, während in der Mitte des Kanals nur noch ein Hitzestrom aus Abgasen von dem Treibstoff vorhanden ist. Da die Verbrennung nicht beliebig schnell erfolgt, dimensioniert man noch einen kleinen Raum zwischen Grain und Düse, die sogenannte Nachbrennkammer, in der die restlichen Gase weiter verbrennen, was den Wirkungsgrad des Motors erhöht.
Bei manchen Hybridtriebwerken schießt keine Flamme aus der Düse, da nichts Brennbares mehr aus der Düse kommen kann. Eine Verbrennung alleine bewirkt aber noch keinen Schub. Hier kommt die Düse ins Spiel. Durch die Verengung, gefolgt von einer Expansion, wird die durch die Verbrennung entstandene grofle Gasmenge sehr hoch beschleunigt, was nach dem Satz der Impulserhaltung einen Rückstoß erzeugt, der die Rakete fliegen lässt bzw. als Schub messbar wird.
<Abb. 5>
Abb. 5: Aufbau der Brennkammer eines Hybridmotors. Sie enthält den Brennstoff (schwarzer Block) mit einem zentralem Kanal, in dem die Verbrennung stattfindet.
Manchmal expandiert das Gas nicht gleichmäßig in der Düse, das sieht man in sogenannten Schallknoten. Das sind kleine Knoten der Gase, die man im Flammenstrahl sehen kann. Da manche Hybride durch die Nachbrennkammer keinen solchen Strahl zustande kommen lassen, können diese Schallknoten dann nur im Labor nachgewiesen werden.
<Abb. 6>
Abb. 6: Hybridmotor in Aktion. Zu sehen ist die Düse, aus der die heißen Schubgase austreten. Beachten Sie bitte die Schallknoten in der Flamme.
Bei Experimenten mit solchen Motoren sollte man viele Sicherheitsmassnahmen treffen, da die Verbrennungsgase bei Austritt aus der Düse bis zu 2000°C heiß sein können.
Vor- und Nachteile des Hybridmotors
Pro
- Inhärent sicher
- Einfacher Aufbau
- Regelbar
- Brennkammer ohne K¸hlung
- Guter Isp (~300s)
- Gutmütige Zündung
- Wiederzündbar
- Lange Brenndauer
- Einfache Herstellung und Handhabung
- Unkomplizierte Lagerung
- Hohe Dichte
- Umweltfreundliche Treibstoffe
energetische Additive möglich
Contra
- Geringe Regression
- Arbeitspunkt wandert (O/F)
- Ineffiziente Verbrennung (NBK)
- Komplizierte Einspritzung
- Multiport (hohe Restmasse)
- Oszillationen/Eigenschwingungen